Der Hollertszug

Der Hollertszug

Unter  dem  Titel  „Vollständige  Nachricht  von  dem  Hollerter  Zuge,  einem  wichtigen  Eisensteinwerke“ erschien 1792 ein umfangreicher Beitrag im Bergmännischen Journal, mit dem dieses Bergwerk die Aufmerksamkeit der Fachwelt erregte. Über 10 aneinander gereihte  Grubenfelder  unterschiedlicher  Gewerkschaften  wurden  unter  der  alten Bezeichnung „Hollerter Zug“ zusammengefasst. Sie lagen nördlich des Herdorfer Ortsteils Dermbach und erstreckten sich über eine Länge von rund  1,6 km  bis  in  die  Nähe  des Druidensteins. Abgebaut wurden hier Braun- und Spateisenstein (Siderit), in geringen Mengen kam Kupfer vor und noch seltener fanden sich vereinzelt Kobalterze.

Das langgestreckte Pingenfeld aus den Anfangsphasen der Erzgewinnung ist erhalten geblieben und stellt in seiner Ausdehnung ein eindrucksvolles kulturgeschichtliches Zeugnis der frühen Bergbautätigkeit dar. Solche Bergbaurelikte sind  als Kulturdenkmäler gesetzlich geschützt. Mit den Daten aus einem Laserscanning, wo von einem Flugzeug aus die Erdoberfläche mit einem Laserstrahl abgetastet wird, ist in einem digitalen Geländemodell das in Ost-West-Richtung verlaufende Pingenfeld gut erkennbar.

Östlicher Teil des Pingenzuges (Zum Vergrößern anklicken)

Hier befinden sich viele relativ flache trichter- und grabenförmige Pingen, aber auch tiefere Schacht- und Einsturzpingen. Zeitlich einstufen lässt sich ihre Entstehung kaum. Da aber bereits 1471 eine Hütte in Dermbach erwähnt wird, dürften die Anfänge auch dem 15. Jahrh. zugeordnet werden können. Konkrete Spuren eines vorgeschichtlichen Bergbaues sind hier nicht gefunden worden, könnten aber auch durch spätmittelalterliche oder neuzeitliche Aktivitäten überlagert worden sein. Die Förderung fand lange Zeit hauptsächlich über Gesenke und Tagesschächte statt. Der Stollenbau diente zunächst der Bewetterung und der Wasserabführung, erst im 18. Jahrhundert wurde die Förderung über die Tagesschächte allmählich eingestellt und auf die Stollen verlagert.  

1726 wurde der 390 m lange „Herrschaftliche Stollen“ angelegt, der später den Namen „Alexanderstollen“ erhielt.  Noch älter, aber nicht mit Jahreszahlen belegt, soll das „Alt Hollerter Stöllgen“ gewesen sein, dass zum Ende des 18. Jahrhunderts schon nicht mehr befahren war und später als „Regulatusstollen“ wieder aufgewältigt wurde. Um 1730 folgte der Eueler Stollen, der  später  Friedrichstollen  genannt  wird.  Ab 1780 wurde der „Tiefe Erbstollen“ auch als „Hüttengewerker Stollen“ bezeichnet- angelegt, Er lag unterhalb des damaligen Dorfes und brachte noch einmal 42 m Teufe mehr ein. Der Stollen war zunächst von sämtlichen Hüttengewerken des Amtes Freusburg finanziert worden, die sich eine ausreichende Versorgung ihrer Hütten mit Eisenerz sichern wollten; später wurde er der Grubengewerkschaft Hollertszug überlassen. Nach knapp 600 m und mehr als 20jähriger Bauzeit  erreichte man 1803 den Gangzug, den man in hervorragender Qualität und großer Mächtigkeit antraf.. Der Tiefe Hollerter Erbstollen  wurde in der Folgezeit um weitere 1400 m über den gesamten Gangzug in westlicher Richtung vorgetrieben.

Seigerriss von 1792

Ein Seigerriss aus dem Jahr 1792 zeigt die damals vorhandenen zehn Grubenfelder und lässt schon die Zusammenarbeit einzelner Gewerkschaften erkennen. Das saynische Bergamt hatte in  dieser  Zeit  auch angeordnet, die einzelnen  Gruben miteinander durchschlägig zu machen, um die Wasserlösung und Bewetterung zu verbessern.

Ende September 1794 bereist Alexander von Humboldt als Oberbergrat der preußischen Regierung die Grafschaft Sayn-Altenkirchen, um den dortigen Bergbau zu begutachten. Er befürwortete die Fortsetzung des Bergwerksbetriebes auf dem Hollertszug und unterbreitete entsprechende Verbesserungsvorschläge. Großes Unbehagen hatte ihm die Befahrung etlicher Tagesschächte bereitet, die er in einem schlechten und gefahrenträchtigen Zustand angetroffen hatte.

Lochstein von 1791

Nach dem Wiener Kongress 1815 fiel die Grafschaft Sayn – Altenkirchen  an  Preußen.  Im  Zuge der beginnenden Industriealisierung bestand auch ein großes Interesse des preußischen Staates daran,  die inländischen Rohstoffquellen zu nutzen. 1816 schlossen sich die Mehrzahl der Einzelgewerkschaften zur Grube Hollertszug zusammen. Um die in der Tiefe vermuteten weiteren Erzvorkommen zu erreichen, entschied man sich nach  eingehenden Untersuchungen, von Herdorf aus einen rd. 1800 m langen Stollen zum Hollertszug vorzutreiben. Da die Grubengewerkschaft finanziell nicht in der Lage war, ein solches Projekt zu realisieren, übernahm der preußische Staat die Kosten und lies den Stollen unter der Regie des Bergamtes Kirchen ab 1820 unter dem Namen „Tiefer Königsstollen“ anlegen. In der Regel waren beim Stollenvortrieb weniger als zehn Bergleute eingesetzt. Man benötigte 43 Jahre, um 1863 nach 1.822 m den Hollerter Gangzug zu erreichen. Die Sohle des Königsstollens lag noch einmal rd. 76 m tiefer als die des in Dermbach ausmündenden Tiefen Hollerter Erbstollens.  In den Folgejahren baute man nun die zwischen dem Königsstollen und dem Hollerter Stollen liegenden Gangmittel ab. In östlicher Richtung wurde der Königsstollen dabei rd. 620 m vorgetrieben, in der westlichen Richtung waren es ca. 800 m.

Die Erzvorkommen stellten sich jedoch nicht in der erhofften Größenordnung ein. Der Bergbau hatte inzwischen allgemein einen bedeutenden Aufschwung genommen. Mit dem Aufkommen der Dampfmaschinen hatte sich ein entscheidender Schritt vollzogen. Immer leistungsfähigere Anlagen ermöglichten nun ein Vordringen in größere Tiefen und erleichterten die Förderung. Um 1860 ging man in vielen Gruben des Bergamtsbezirks zum dampfmaschinenbetriebenen Tiefbau über und förderte deutlich größere Erzmengen als der Hollertszug. 1890 entschloss man sich aber auch hier zum Tiefbau und richtete in rund 1.750 m Entfernung vom Stollenmundloch einen Blindschacht ein, der bis auf 240 m abgeteuft wurde. 

Elektrolokomotive um 1900

Um die nötige elektrische Energie bereitzustellen, richtete man über Tage in der Nähe des Stollens ein eigenes Kraftwerk ein, dessen Dampfmaschinen und Generatoren Gleichstrom von 450 Volt für die Fördermaschine und die Pumpen zur Wasserhaltung erzeugten. Zusätzlich wurde eine mit Elektrolokomotiven betriebene Bahn für die Förderung des Erzes aus dem Stollen zur Aufbereitungsanlage und den Röstöfen gebaut. Damit entstand hier der erste, voll elektrifizierte Bergwerksbetrieb im Siegerland, über den in der Fachpresse ausführlich berichtet wurde, 

Mit dem Beginn des Tiefbaues erreichte man für die damalige Zeit mit rd. 20.000 to eine ansehnliche Fördermenge pro Jahr. Die Grube hatte nun 300 Beschäftigte und erzielte 1900 mit 50.030 to ihr bestes Ergebnis. Mit zunehmender Tiefe aber nahmen die bauwürdigen Mittel rasch ab, die Lagerstätte war wesentlich kleiner als ursprünglich erhofft. Die verbliebenen Erzvorräte reichten nur noch bis zum Jahr 1910, wo der Grubenbetrieb endgültig eingestellt wurde. Die gesamte Förderung des Hollertszuges wird auf etwa 1,3 Mio to Roherz geschätzt.

Literatur:

Gleichmann, H. D., Gleichmann, J. (1983): Der Hollerter Zug – ein wichtiges Eisensteinwerk im Siegerland in: DER ANSCHNITT 35, 1983, S.12-21

Gotthardt, A. (2004)    Das Eisenerzbergwerk Hollertszug und sein Tiefer Königsstollen, Herdorf,  Eigenverlag

Cramer, L.W.,  (1805): Vollständige Beschreibung des Berg-, Hütten- und Hammerwesens in den nassau-usingischen Landen, Frankfurt