Bergbau und Hüttenwesen

Historisches zum Bergbau und Hüttenwesen in Herdorf

„Alles lebt hier vom Bergbau und Hüttenbetrieb und man sieht schlechterdings kein anderes Gewerbe, als was mit jenem in  Beziehung  steht…… Hier  liegt  eine  ungeheure Anhäufung von Metallen aller Art im Schoß der wilden Berge verborgen, die der Bergmann zum Teil nach uralten Sitten heraus holt, und der Hüttenmann zu Gelde macht“

Diese Eindrücke  gibt  der preußische  Bergrat   Friedrich  August  Eversmann  über  die  Ämter  Freusburg  und Friedewald in der damaligen Grafschaft Sayn-Altenkirchen im Jahre 1804 wieder. Seine Aufzählung beginnt mit den Bergwerken Hollertszug, Guldenhardt, Bollnbach und Stahlert, die schon damals unter den 69 Gruben der beiden Amtsbezirke weit über Herdorf hinaus bekannt waren. 

Übersichtskarte nördl. Bereich (zum Vergrößern anklicken)

Die Anfänge der Eisengewinnung lassen sich für den Herdorfer Raum in keltische Zeiten zurückverfolgen. Amateurarchäologen entdeckten in den 1960er Jahren an verschiedenen Berghängen im Stadtgebiet  keltische  Verhüttungsplätze.

Einschätzungen der rheinland-pfälzischen Landesarchäologie von 2010/11 ordnen die vorgefundenen Keramikteile und Schlacken dem  Übergang  von  der  Späthallstatt-  in die Frühlatènezeit  (6./5. Jahrh. v. Chr.)  zu. Damit  wären  es  die  ältesten,  bisher  bekannt gewordenen Fundstätten  der  Eisengewinnung  in  Rheinland-Pfalz.  Allerdings  ist  die zeitliche Einordnung der Funde umstritten. Andere Archäologen rechnen sie der mittleren Latènezeit um das 3. Jahrhundert  v.  Chr.  zu.

In dieser Epoche besiedelten kleine keltische Gruppen die Mittelgebirge und brachten auch die nötigen Kenntnisse zur Eisengewinnung mit. Vermutet wird, dass die Erzvorkommen den Hauptbeweggrund für die Besiedlung des klimatisch eher ungünstig gelegenen Siegerlandes gebildet haben. Die Erzgänge traten hier häufig offen zutage, so dass das Erz an der Oberfläche ohne große Hilfsmittel  gesammelt  werden konnte. In kuppelförmigen, aus Lehm und flachen Steinen gebauten und mit Ton abgedichteten Öfen wurde Eisen gewonnen. Mit den erzielten Temperaturen um 1.000 °C schmolz das mit dem Erz verbundene Fremdgestein und bildete die Schlacke, die aus dem Ofen rann (sogenanntes Rennfeuerverfahren). Zurück blieb die Rohluppe, ein weicher Klumpen aus Eisen und Restschlacken, der von Hand weiter geschmiedet wurde. Während man früher von einer einmaligen Verwendung der Öfen ausging, zeigen neuere Forschungsergebnisse, dass die „Siegerländer Kuppelöfen“ durchaus für mehrere Produktionsvorgänge genutzt wurden.

Leider sind die in Herdorf vorgefundenen Verhüttungsplätze von der Montanarchäologie bisher nicht detailliert untersucht worden, so dass eine verlässliche zeitliche Einordnung nicht möglich ist und auch Vergleiche zu den neueren, umfangreichen Forschungen des Deutschen Bergbaumuseums Bochum im südlichen Siegerland nicht angestellt werden können. Zunächst ist  noch umfangreiche archäologische Geländearbeit mit modernen wissenschaftlichen Methoden notwendig, um solide Ergebnisse zu erhalten. Mit den Vorbereitungen hierzu hat das Institut für Altertumswissenschaften der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz im Oktober 2016 im Bereich der Malscheid und des Hohenseelbachskopfes begonnen, so dass in Zukunft auch wissenschaftlich fundierte Ergebnisse zu erwarten sind. 

Während die Archäologie das Siegerland als bedeutende Montanregion mit einem Schwerpunkt in der mittleren Latènezeit nachweisen kann, bleiben für das Siedlungswesen bisher viele Fragen offen. In der Nähe der Verhüttungsplätze sind häufig nur einzelne Podien oder kleinere Podiengruppen gefunden worden, die man nicht als Dorf charakterisieren konnte. Vereinzelt finden sich in den Höhenlagen am Rande der Wirkungsbereiche Wallburgen, deren Bezug zum Montanwesen noch nicht ausreichend erforscht ist. Größere keltische Siedlungszentren fanden sich in diesem Zeitraum erst in einiger Entfernung außerhalb des Siegerlandes im klimatisch und ackerbaulich günstiger gelegenen hessischen Bergland im Großraum Wetzlar-Gießen-Marburg, mit denen offenbar auch Handelsbeziehungen bestanden.

Um die Zeitenwende endet mit dem Einsetzen der germanischen Wanderbewegungen und dem römischen Einfall  in  rechtsrheinische  Gebiete   zunächst   auch  das   Montanwesen. Bergbau   und Verhüttung lassen sich in unserer Region erst  wieder  ab  dem  9./10. Jahrhundert  durch archäologische Funde nachweisen. Zeitlich fällt dies zusammen mit  dem Vordringen  der Franken in den rechtsrheinischen Raum. Die Historiker gehen heute davon aus, dass das Siegerland nach dem Untergang der keltischen Kultur von der Zeitenwende bis zur Ankunft der Franken kaum besiedelt war.

Etwa ab dem 13./14. Jahrhundert wird die Technik der Wasserräder von den Korn- und Lohmühlen übernommen und an die Bedürfnisse der Verhüttung angepasst. Die zuvor üblichen Tretgebläse der mittelalterlichen Rennöfen werden nun durch Wasserkraft bewegt. Waren der zur Verhüttung notwendige Holzbedarf und ein nahegelegener Bach wesentliche Aspekte für den Standort der latènezeitlichen Kuppelöfen in den höheren Lagen der Mittelgebirge, verlagerten sich nun die Hüttenplätze und Waldschmieden in die Täler, um hier an den größeren Bächen die Wasserkraft zu nutzen.

Haspel (Aus Agricola G., Vom Bergwerck, Basel 1557)

Die Erzgewinnung  erfolgte  im  frühen  Mittelalter  zunächst  noch  durch  das  so bezeichnete „Moltern“; mit  einfachen  Werkzeugen  wurde  durch  Schürfen  das  nahe der Oberfläche liegende Erz freigelegt und aufgelesen. Mit zunehmenden Bedarf verfolgte man den Erzgang auch in die Tiefe.  Zunächst  wurde  das  Erz  in offenen  Gruben  (Pingen)  gewonnen.  Später  ging  man  zum  Gesenke-  oder Schachtabbau über, wobei in den frühen Phasen nur relativ geringe Tiefen erreicht wurden. Über eine Haspel  wurde das Erz in Körben oder Kübeln zu Tage gebracht.   

Soweit der Bergbau über Tage stattfand und keine nennenswerten Mittel  erforderte, wurde er häufig von Einzelpersonen, sogenannten Eigenlöhnern betrieben. Beim Übergang zum Stollenbau,  der  im  Siegerland  verstärkt  gegen  Ausgang  des  Mittelalters  begann,  war dagegen schon ein finanzieller Rückhalt der Beteiligten erforderlich, da der zeitaufwändige Stollenbau oft erst nach Jahren den Erzgang erreichte und  vorher  keinen  Gewinn  abwarf. Man schloss sich zusammen und bildete Gewerkschaften oder Konsortien, die die Arbeiten nun gemeinsam betrieben und Kosten und Gewinn teilten. 

Wann das Montanwesen in der Grafschaft Sayn wieder auflebte, ist nicht konkret ermittelbar. Hinweise geben hier alte Urkunden zur wirtschaftlichen Situation der Herrschaftshäuser. So werden in einer Steuerschätzung von 1437 und in Renteiberichten der Herrschaft Freusburg aus dem 15. und 16. Jahrhundert Einnahmen aus „Hüttenzinsen“ und dem „Zehnten von den Bergen“ aufgeführt. Daneben enthält ein Vertrag zwischen den Häusern Sayn und Nassau von 1478 über die  gemeinsame Herrschaft im Freien Grund auch Regelungen zur Einschränkung des Hüttenwesens. Zumindest ab dem 15. Jahrhundert wird man daher eine gewisse Beständigkeit des Montanwesens auch im Herdorfer Raum annehmen können. Dessen Umfang lag damals sicher in einem bescheideneren Rahmen als im benachbarten nassauischen Siegerland, wo schon früher ansehnliche Aktivitäten belegt sind.

Mit dem Übergang der Grafschaft Sayn an das Haus Sachsen-Eisenach im Jahre 1661 wurde nun auch dem Bergbau größere Aufmerksamkeit gewidmet. In den folgenden Jahrzehnten kann der Beginn kleinerer Bergwerke nachvollzogen werden. Herdorfs große und bekannte Gruben sind in ihrer Entstehung erst dem 18./19. Jahrhundert zurechenbar. Dort hatte zwar auch schon deutlich früher Bergbau durch Eigenlöhner und kleine Gewerkschaften stattgefunden, aber letztlich keinen kontinuierlichen  oder bedeutsamen Umfang erreicht. 

Mit der fortschreitenden Industrialisierung und dem Übergang zum maschinenbetriebenen Tiefbau im 19. Jahrhundert gewannen dann kapitalkräftige Personen und Unternehmen den entscheidenden Einfluss.  An  den  reichen  Erzlagerstätten  entwickelten  sich  aus  kleinen Bergwerken leistungsfähige Unternehmen.

Die im Siegerland dominanten Sideriterzgänge erstreckten sich dabei sowohl auf die nördlichen als auch die südlichen Hänge Herdorfs. Im Norden bauten auf dem Hollerter – Bollnbacher Gangzug  u. a.  die  Gruben Hollertszug, Guldenhardt, Hüttenwäldchen (heute Besucherstollen),  Bollnbach  und  Stahlert. Die südlichen Hanglagen wurden vom mächtigen Florz-Füsseberger Gang durchzogen. Auf ihm lagen neben etlichen kleineren Stollenbetrieben  die  Gruben  Wolf,  San  Fernando, Zufälligglück, Friedrich  Wilhelm  und  Einigkeit  sowie  im  östlichen  Randbereich  die Kupfergrube Alte Malscheid.

Die bedeutenderen Gruben des Siegerlandes hatten sich die großen Hüttenwerke des Ruhrgebiets seit dem Ende des 19. Jahrhunderts als Rohstoffquelle gesichert. Ab 1953 wurden die Gruben unter der Erzbergbau Siegerland AG zusammengefasst. Sie hatten das Wirtschaftsleben im Siegerland bis zur Strukturkrise der Montanindustrie Anfang der 1960er Jahre geprägt. Diese Epoche endete mit der Schließung der letzten Bergwerke im März 1965. 

Nähere Informationen zu einzelnen Gruben können Sie über das Menü in der linken Spalte erhalten. 

Literatur:

Fenchel, W., Gies, H., Gleichmann, H.-D., Reichenbach, R., u.a. (1985)                                                                  Sammelwerk Deutsche Eisenerzlagerstätten,  Die Sideriterzgänge im                                         Siegerland-Wied-Distrikt, Geologisches Jahrbuch Reihe D Heft 77,                                               Schweizerbart’sche Verlagsbuchhandlung, Stuttgart 

Kuhnen, H.P., Trojan C.   Am Anfang der Eisengeschichte in Rheinland-Pfalz, in                      (2011)                                 SIEGERLAND, Blätter des Siegerländer Heimat- und                                                                         Geschichtsvereins e.V., Band 88, Heft. 2, Siegen

Zeiler, M (2013)                  Latènezeitliche Eisenwirtschaft im Siegerland, in METALLA                                                             (Bochum) Nr. 20.1/2013, herausgegeben vom Deutschen                                                                Bergbaumuseum Bochum